Wer sich im Internet näher mit dem Thema paranormale Phänomene beschäftigt, wird schnell feststellen, dass man dort auf unzählige, angeblich echte Geisterfotos stößt.  Auch Ghosthunter Germany bekommt ständig Zuschriften, mit Anfragen von Menschen, ob sie auf ihren Fotos vielleicht einen Geist gebannt haben. Meist erkennt man dort schemenhafte Gestalten, Gesichter und Nebel mit menschlichen Formen. Häufiger als man denkt ist die Wahrscheinlichkeit, dass einem die eigene Wahrnehmung hier einen Streich spielt. Und das in beachtlichem Maße.


Wieso ist das so?

Zuerst muss man verstehen wie unsere Wahrnehmung funktioniert. Für einen selbst erweckt es den Eindruck als wäre zum Beispiel eine visuelle Wahrnehmung ein einziger Schritt. In Wirklichkeit handelt es sich beim  Prozess der Wahrnehmung  aber um einen Vorgang in drei Stufen:  Empfinden -> Organisieren -> Einordnen.

Speziell bei der visuellen Wahrnehmung geschieht dieser Ablauf wie folgt: In der Stufe des Empfindens bildet sich ein Abbild eines Objektes auf unserer Netzhaut. In der folgenden Organisationsstufe wird das Visualisierte zu einer festen Form zusammengefügt. In der dritten und letzten Stufe wird das Gesehene eingeschätzt, kategorisiert und ihm wird eine Bedeutung zugeordnet. Aus dem Objekt, das wir betrachtet haben, wird nun ein Baum, ein Flugzeug oder ein Mensch. Erst durch die letzte Stufe des Einordnens wird eine angemessene Reaktion auf das Gesehene überhaupt möglich.

(Quelle: Wikipedia - Abschnitt: Der Vorgang des Wahrnehmens)


Wieso lassen sich unsere Wahrnehmung bzw. unsere Augen sich hier leicht täuschen?

Hier kommt ein Effekt ins Spiel, den man Pareidolie nennt.

Der Begriff setzt sich zusammen aus dem griechischen „para“, was so viel wie „daneben, vorbei“ bedeutet und „eidolon“, das für „Bild, Erscheinung“ steht.

Das menschliche Gehirn sucht bei der Wahrnehmung ständig nach ihm bereits bekannten Mustern, Formen und Bildern. Durch diese Mustererkennung tendiert es aber auch dazu in zufälligen Mustern und Strukturen Formen zu erkennen. Sehen wir nun ein unscharfes oder zu dunkles Foto an, also ein Sinneseindruck mit geringem Informationsgehalt, auf dem wir etwas nicht genau erkennen, versucht unser Gehirn das Gesehene einer uns bereits bekannten Form zuzuordnen die dem Gesehenen am ähnlichsten ist.

Diese Tendenz unseres Gehirns dazu, bezeichnet man als Pareidolie.

Deshalb erkennen wir in zufälligen Wolkenformationen Figuren oder  Gesichter in Strukturtapeten oder wie in unserem Beispiel Geister in nebligen oder unscharfen Fotos.

Das (Wieder-)Erkennen von Mustern wiederholter Sinneseindrücke wird durch Lernvorgänge gebildet und gefestigt. Je öfter ein Mensch bestimmte Muster sieht, desto mehr wird sich das Gehirn Selbige einprägen. Dieser Umstand ist so ausgeprägt, dass uns meist eine Skizze mit lediglich Umrissen genügt, um zu erkennen welches Objekt dargestellt werden soll. So können wir bereits in einen Kreis und einem Strich bereits das Abbild eines Apfels interpretieren. Somit hängt das Wiedererkennen von Dingen von im Gehirn bereits gespeicherten Erinnerungen ab.

(Quelle: Wikipedia: Pareidolie | grenzwissenschaft-aktuell - Abschnitt: Hintergrund Pareidolie)


Besonders ausgeprägt beim Menschen ist das (Wieder-)erkennen von Gesichtern. Bereits Säuglinge prägen sich das Gesicht der Mutter und anderer Bezugspersonen, die es versorgen und beschützen, ein, da dies wichtig für das Überleben ist. Ebenso hat unsere soziale Kompetenz mit dem Erkennen von Gesichtern zu tun. Im Umgang miteinander ist es wichtig Personen und ihre Stimmung schnell, anhand der Gesichter zu erkennen, um angemessen reagieren zu können. So wichtig, das wir in einer konkaven Linie und zwei Punkten ein lächelndes Gesicht erkennen. Als gutes Beispiel dient hier der allseits bekannte Smiley. Im Internet finden sich eine Menge guter Beispiele an Bildern für Muster, Formen und Gegenstände in denen wir menschliche Züge (Augen, Nase, Mund) erkennen. Dazu brauchen sie lediglich den Begriff  ‚optische Täuschung‘ in die Suchmaschine von Google einzugeben.

Die Pareidolie ist also eine der wahrscheinlichsten Erklärungen für die Interpretation der meisten Geisterfotos.


Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei Wahrnehmung nicht lediglich um die passive Aufnahme von Sinnesdaten handelt. Je nach individueller Prägung, Erwartungen, Vorurteilen und momentanen Gefühlszustand verarbeiten wir sämtliche Daten aktiv. Ohne bewusstes Zutun ist unsere Wahrnehmung selektiv. Je größer unsere Erwartungshaltung ist, etwas Bestimmtes zu sehen, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dies subjektiv zu erkennen. Dinge, die nicht interessieren oder von Relevanz für uns sind werden einfach ausgeblendet.

(Quelle: Wikibooks: Elementarwissen medizinische Psychologie und medizinische Soziologie: Theoretisch-psychologische Grundlagen - Abschnitt: Wahrnehmung als Ergebnis komplexer Prozesse: Bottom-up- und Top-down-Prozesse | Wikipedia: Selektive Wahrnehmung)



Für die Interpretation von Geisterfotos gilt also, umso mehr man erwartet oder vielleicht auch hofft Geister auf einem Foto zu erkennen, desto wahrscheinlicher ist es, dass man diese auch in das Gesehene hineininterpretiert.

Es ist daher lohnenswert, nicht nur einen kritischen Blick auf solche Fotos zu werfen, sondern auch einen Zweiten und Dritten.


Timo (Ghosthunter Germany)